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Mikrofinanz
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Microfinance; einfache Bank- und Finanzdienstleistungen für Kunden, die von herkömmlichen Kreditinstituten und Finanzdienstleistern nicht oder nur unzureichend bedient werden. Mikrofinanz stellt einen Teilbereich von Social Finance dar.
1. Abgrenzung: Der Begriff Mikrofinanz ist nicht eindeutig abzugrenzen, da Mikrofinanz in verschiedenen Regionen von einer Vielzahl verschiedener Anbieter mit unterschiedlichen Motivationen und Ansätzen angeboten wird. Typischerweise beschreibt Mikrofinanz jedoch einen Ansatz, der marktkonforme Mechanismen des profitorientierten konventionellen Bank- und Finanzwesens (z.B. verzinster Kredit) mit den sozialorientierten Zielen der nicht profitorientierten Entwicklungshilfe (z.B. Inclusive Finance) zu kombinieren versucht. Als solches hat Mikrofinanz eine Reihe spezifischer Instrumente entwickelt, die es erlauben, viele Kunden zu bedienen, die von anderen Banken und Finanzdienstleistern nicht oder nur ungenügend bedient werden.
2. Entwicklung: Das neuzeitliche Gesicht von Mikrofinanz wird oft mit Prof. Muhammad Yunus und der von ihm 1983 in Bangladesch gegründeten Grameen Bank (die heute über acht Mio. Kunden hat) in Verbindung gebracht. Der Prof. Muhammad Yunus für seine Mikrofinanz-Tätigkeiten in 2006 zuerkannte Friedensnobelpreis sowie das ein Jahr zuvor von den UN proklamierte „Internationale Jahr des Mikrokredits“ hat Mikrofinanz in der Wahrnehmung einer breiteren Öffentlichkeit zum Durchbruch verholfen. Mittlerweile gibt es weltweit mehrere Tausend Organisationen mit einem Fokus auf Mikrofinanz, überwiegend in ökonomisch schwach entwickelten Ländern. Der offensichtliche Erfolg des Konzepts Mikrofinanz führte aber auch in entwickelten Ländern zur Einführung erster Mikrofinanz-Initiativen. So wurde in 2008 „Grameen America“, eine auf die US-amerikanische Situation angepasste Version der Grameen Bank, gegründet. In Deutschland richtete die Bundesregierung Anfang 2010 den Mikrokreditfonds Deutschland ein, mit dessen Hilfe Kredite an Kleinunternehmen und Unternehmensgründer vergeben werden.
3. Anbieter: Heute existiert eine ganze Mikrofinanz-Industrie mit den verschiedensten Anbietern entlang ihrer Wertschöpfungskette – von den internationalen Finanzmärkten bis hin zu lokalen Mikrofinanzinstituten (MFIs) mit ihren Agenten, die Mikrofinanz-Produkte an den Endkunden vertreiben. MFIs sind die Organisationen, die typischerweise mit Mikrofinanz assoziiert werden. Während es auch hier große Unterschiede gibt, ist für die meisten MFIs charakteristisch, dass sie über keine Banklizenz verfügen und somit für ihre Refinanzierung auf Dritte (früher v.a. Spendenorganisationen und/oder Entwicklungsbanken, heute zunehmend auch international agierende kommerzielle Banken und Investmentfonds) angewiesen sind. Mittlerweile gibt es aber auch eine Reihe größerer bzw. etablierter MFIs, die eine Banklizenz erworben haben. Zudem beginnen sich immer mehr konventionelle (meist regional ansässige und/oder genossenschaftlich organisierte) Banken im Bereich von Mikrofinanz zu engagieren. In jüngerer Zeit haben schließlich neue Technologien, v.a. das Internet, zur Entwicklung einer weiteren Art von Akteur im Mikrofinanz-Sektor geführt, der sog. Peer-to-Peer-Kreditvermittlungs-Plattformen (Peer-to-Peer Finance), von denen sich einige auf die Vermittlung von „Direkt-Krediten“ aus ökonomisch entwickelten Ländern in schwach entwickelte Länder spezialisiert haben und dabei i.d.R. mit lokal ansässigen MFIs oder Banken kooperieren.
4. Motive und Ziele: Die Motive und Ziele von Mikrofinanz sind ebenso vielfältig wie die Anbieter von Mikrofinanz; sie wandeln sich mit ihnen im Laufe der Entwicklung von Mikrofinanz. In der frühen Phase dominierten eher gemeinnützige Motive, die darauf ausgerichtet waren, Armutsbekämpfung und Entwicklung durch Instrumente des Inclusive Finance zu unterstützen. Dabei umfasst die primäre Zielgruppe arme und ökonomisch besonders verwundbare Kleinstunternehmen, Händler und Farmer, die aufgrund ihrer geringen und unregelmäßigen Einkommen, fehlender materieller Sicherheiten und/oder fehlender Dokumente, die persönliche Daten oder auch Besitz feststellen könnten, oftmals von Bank- und Finanzdienstleistungen konventioneller Anbieter ausgeschlossen sind.
Als zunehmende Professionalisierung und Kommerzialisierung von Mikrofinanz schließlich deutlich machte, dass Mikrofinanz nicht nur ein sinnvolles entwicklungspolitisches Instrument sein kann, sondern auch ein relativ sicheres und sogar profitables Konzept, beschlossen viele neue Akteure (u.a. viele international agierende [Investment-]Banken und Fonds, die z.T. einer Impact Investing-Strategie folgen), sich im Bereich Mikrofinanz zu betätigen. Entsprechend wichtiger sind heute finanzielle Motive für ein Engagement in Mikrofinanz.
5. Produkte und Dienstleistungen: Mikrofinanz umfasst mittlerweile eine vielfältige Palette an Produkten und Dienstleistungen. Dazu gehören neben dem am weitesten verbreiteten Mikrokredit auch Sparkonten, Überweisungs- und Bezahldienste, Versicherungen sowie Beratung und Training.
Die Produkte und Dienstleistungen weisen oftmals Besonderheiten auf, die als Anpassungen an die besonderen Eigenschaften des Mikrofinanz-Kundenkreises zu werten sind. Das ist besonders augenscheinlich im Fall der Mikrokredite:
a) Sie sind in ihrer Höhe vergleichsweise limitiert (weniger als 100 US-Dollar bis wenige 1.000 US-Dollar);
b) sie sind oftmals mit höheren Zinsen (ca. 15-80 Prozent pro Jahr) verbunden als üblicherweise von Banken verlangt (aber mit deutlich niedrigeren Zinsen als üblicherweise von kommerziell orientierten privaten Geldverleihern und Pfandleihern verlangt);
c) sie werden überwiegend nur für unternehmerische Zwecke vergeben;
d) sie werden oft nur an (Individuen in) Gruppen vergeben, deren Mitglieder alle am Erhalt einer Mikrofinanz-Dienstleistung interessiert sind (Group Lending Model) und deshalb einen sozialen Druck auf den einzelnen Kreditnehmer ausüben, den Kredit zurückzuzahlen (soziale Absicherung);
e) sie werden häufig nur an Frauen vergeben, die in Finanzangelegenheiten als zuverlässiger gelten.
Zusammen kann dies eine Erklärung dafür sein, weshalb die durchschnittliche Rückzahlquote (häufig werden hier rund 98 Prozent genannt) im Bereich Mikrofinanz z.T. sogar besser scheint als im Fall von Krediten konventioneller Banken.
Eine weitere Besonderheit von Mikrofinanz-Produkten ist der oft überdurchschnittliche Einsatz neuer Technologien für den Vertrieb von Mikrofinanz-Produkten. Die hohe Verbreitung v.a. von Mobiltelefonen und Internetzugängen auch in ökonomisch schwächer entwickelten Ländern, in denen die infrastrukturellen Voraussetzungen die Entwicklung eines filialgestützten Banknetzes oft verhindern, ermöglicht eine Bedienung größerer Gebiete in ökonomisch tragfähiger Art und Weise.
6. Diskussion: Der Mikrofinanz-Sektor ist Gegenstand verschiedener Kritik, die sich zumeist auf den Teilbereich Mikrokredit fokussiert. Dabei geht es u.a. um
a) die mögliche Überbetonung des marktökonomischen Ansatzes,
b) den zu starken Fokus auf Mikrokredite vs. Sparkonten oder Versicherungen,
c) den zu starken Fokus auf Kredite für produktive unternehmerische Zwecke,
d) die vom Mikrokredit ausgehende mögliche Verschuldungsfalle für ungeeignete Kreditnehmer,
e) die unzureichende Verbreitung von Mikrofinanz im ländlichen Raum,
f) die zunehmende Kommerzialisierung und Profitorientierung des Mikrofinanz-Sektors, die die wirklich Armen erneut von entsprechenden Bank- und Finanzdienstleistungen auszuschließen droht,
g) die fehlende Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Kreditvergabe sowie
h) die nur in geringem Umfang stattfindende Ermittlung und Messung des tatsächlichen entwicklungspolitischen Erfolgs von Mikrofinanz (Impact Assessment).
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