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Finanzialisierung
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Financialisation; tatsächliche oder empfundene Tendenz eines (kapitalistischen) Systems hin zu einer zunehmenden Bedeutung bzw. Dominanz des Finanzsektors gegenüber anderen Bereichen dieses Systems (engl. Financialisation).
1. Ursache: Es wird argumentiert, dass Finanzialisierung aus der Neigung kapitalistischer Systeme resultiert, sämtliche Güter, Waren, Dienstleistungen oder sonstige handelbare Werte
– unabhängig davon, ob sie materiell-gegenständlich oder immateriell sind und ob sie gegenwarts- oder zukunftsorientiert sind – in Finanzinstrumente oder Derivate von Finanzinstrumenten mit dem Ziel umzuwandeln, ihren profitablen Handel zu erleichtern.
2. Ausprägungsformen:
a) als wachsender Anteil des Finanzsektors an der gesamtwirtschaftlichen Aktivität/Produktivität,
b) als zunehmender Einfluss von Finanzexperten im Management von Unternehmen,
c) als wachsender Anteil finanzieller Vermögensgegenstände relativ zum volkswirtschaftlichen Gesamtvermögen,
d) als zunehmendes Volumen der in einem Wirtschaftssystem gehandelten Finanzprodukte (z.B. Aktien, Anleihen, Futures, Optionen, Swaps) im Vergleich zu allen finanziellen Vermögenswerten oder im Vergleich zum erzeugten Bruttoinlandsprodukt,
e) als zunehmender Einfluss der Finanzmärkte auf Unternehmensstrategien und/oder
f) als wachsende Bedeutung der Rolle des Geldes in zwischenmenschlichen Beziehungen und Interaktionen.
3. Diskussion: Finanzialisierung ist zunehmend Gegenstand von Diskussionen. Einerseits wird positiv angemerkt, dass Finanzialisierung Ausdruck der Innovationskraft und Effizienz des Finanzsektors ist und wichtige Beiträge zur Entwicklung anderer Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft hervorbringt, wie z.B. die Versicherung zunehmend komplexer Risiken, die Finanzierung von Großprojekten zum Klimaschutz oder die Globalisierung der Gütermärkte. Andererseits steht die Finanzialisierung v.a. seit der Finanzmarktkrise zunehmend in der öffentlichen Kritik, z.B. dafür, dass Finanzintermediäre wie Banken ihr Innovationspotenzial und ihre Macht v.a. für eigene Geschäfte nutzen, während der von den Finanzmärkten ausgeübte übermäßige Renditedruck auf die Realwirtschaft viele Arbeitsplätze kostet und sowohl das soziale als auch das ökologische Gefüge insgesamt bedroht.
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