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Bankmodell
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1. Begriff: Ein Bankmodell liefert eine strukturierte Sicht auf sämtliche Funktionen eines Bankbetriebes. Den Merkmalen allgemeiner Modellbildung (Abbildungs-, Abkürzungs-, Verwendungsmerkmal) folgend, liefert es einen Ordnungsrahmen, der ausgewählte Modellobjekte einer Bank für einen bestimmten Zweck und Adressatenkreis systematisch im Zusammenhang darstellt. Diese Objekte können sich orientieren an:
a) den Funktionen und Dienstleistungen einer Bank. Derartige Bankmodelle zeigen die Aufgaben einer Bank in einem Gesamtzusammenhang, z.B. Verkauf, Abwicklung, Bezahlung und Deponierung von Beteiligungspapieren für eine Universalbank.
b) den Organisationsstrukturen einer Bank. Diese können eindimensional (z.B. nach Marktleistungs-/Verwaltungsbereichen, Leistungsarten, Kundengruppen, Regionen, Profitcenters) oder zweidimensional (z.B. Matrixorganisation) ausgerichtet sein.
c) den Geschäftsprozessen einer Bank sowie den damit verbundenen Leistungen (begriffen als Input und Output von Geschäftsprozessen). Diese unterscheiden produktspezifische Prozessvarianten, wie etwa die Abläufe im beleghaften Zahlungsverkehr und jene in elektronischen Verfahren.
d) der Unterstützung durch Anwendungssysteme bzw. Outsourcing-Services. So verwenden Anbieter von Kernbankenlösungen bzw. -services zur Strukturierung ihres Lösungsangebots Referenzmodelle als Ausgangsbasis. Diese orientieren sich primär an den verfügbaren Abläufen, Funktionalitäten sowie Modulen und zielen auf die Anpassung der Standardsoftware (Customizing) an unternehmensspezifische Anforderungen ab.
2. Elemente: In Anlehnung an prozessorientierte Referenzmodelle im Industrie- (z.B. Y-Modell) und im Handelsbereich (z.B. H-Modell) knüpft das vorliegend abgebildete Bankmodell an die im Prozessmanagement etablierte Unterscheidung von Kunden-, Leistungs-, Führungs- und Unterstützungsprozessen an (Geschäftsprozessarchitektur). Es benennt die wichtigsten Prozessausprägungen zur Durchführung von Bankgeschäften bei Universal-, Retail- sowie Privatbanken:
a) Kundenprozesse beschreiben in der horizontalen Dimension die an die Kundenbedürfnisse unmittelbar anknüpfenden Prozesse Zahlen, Anlegen und Finanzieren. Sie implizieren von links nach rechts die häufig beobachtbare Länge einer Kundenbeziehung. So implizieren Finanzierungen wie eine Hypothek im Normalfall eine längere Kundenbindung als eine Zahlung oder der Erwerb von Beteiligungspapieren. Die Kundenprozesse sind den damit verbundenen typischen Produkten und Leistungen einer Bank zugeordnet. Im Bereich Zahlen sind dies beispielsweise das Lastschriftverfahren oder die elektronische Rechnungsstellung, im Bereich Anlegen Fondsprodukte oder strukturierte Anlageprodukte und im Bereich Finanzieren Konsumenten-, Lombard- oder Hypothekarkredite. Dabei ist auch eine übergreifende Sicht von Bedeutung, da gerade Kunden von Universal- und Privatbanken Leistungen in allen drei Prozessbereichen nachfragen. Diese findet sich einerseits in den übergreifenden fachlichen Prozessen einer Bank (z.B. Finanzplanung, Liquiditätsmanagement), andererseits aber angesichts von Multi-Bank, -Kanal- und -Produktbeziehungen auch in der anbieterübergreifenden Abstimmung.
b) Führungsprozesse bilden mit Planung, Steuerung und Kontrolle der Unternehmensaktivitäten den Kern jedes Unternehmens. Angesichts der zunehmenden Vernetzung von Geschäftsmodellen bzw. der Bildung von Finanznetzwerken kommt den Aktivitäten der Netzwerksteuerung eine besondere Bedeutung zu. Gerade die Kompetenz zur Auswahl, Steuerung und Kontrolle externer Anbieter gilt als Erfolgsfaktor von Sourcing-Projekten.
c) Leistungsprozesse umfassen Vertriebsprozesse, Prozesse zur Ausführung und Abwicklung von Banktransaktionen sowie transaktionsbezogene und -übergreifende Prozesse.
(1) Vertriebsprozesse folgen bekannten Kundenlebenszyklusmodellen, welche Kundengewinnung und -pflege und die Durchführung des Kundenkontaktes über verschiedene Kanäle vorsehen. Ähnlich den produkt- und leistungsbedingten Prozessvarianten, bedingen die einzelnen Kundenkanäle häufig Abweichungen, etwa bei Autorisierung oder Produktpräsentation. Auf Ebene der Gesamtsicht des Bankmodells sind die Abwicklungsprozesse für Zahlen, Anlegen und Finanzieren im Sinne der Industrialisierung in den fünf gleichen Schritten Initialisierung, Erfassung, Prüfung, Freigabe und Verarbeitung abgebildet. In darunterliegenden feingranulareren Referenzprozessen für die Abwicklung von Zahlen, Anlegen und Finanzieren sind Unterschiede wie der Handel von Wertpapieren oder die Amortisation von Finanzierungen berücksichtigt.
(2) Transaktions- bzw. Abwicklungsprozesse untergliedern die Transaktionen in den Bereichen Zahlen, Anlegen sowie Finanzieren und bilden einen Schwerpunkt im operativen Bankgeschäft. Der erwähnten Industrialisierung folgend, weisen die Transaktionen jeweils fünf Schritte auf (Initialisierung, Erfassung, Prüfung, Freigabe und Verarbeitung), wobei die detaillierteren Prozessausprägungen Unterschiede wie den Handel von Wertpapieren oder die Amortisation von Finanzierungen berücksichtigen. Aus Abwicklungssicht gleichartige Produkte (z.B. Beteiligungspapiere im Bereich Anlegen) sind wiederum in Prozessvarianten zusammengefasst. Transaktionsbezogene Aufgaben ergänzen die Transaktion um unmittelbar auf eine Einzeltransaktion bezogene Aufgaben (z.B. Bestandsabgleich von Konten und Positionen mit getätigten Transaktionen oder Verwaltungshandlungen wie etwa die Durchführung eines Splits).
(3) Transaktionsübergreifende Leistungsprozesse bilden die Basis der Transaktionsabwicklung und des Vertriebs. Sie weisen einerseits einen Produkt- bzw. Transaktionsbezug auf, wenn sie die Voraussetzung zur Transaktionsabwicklung schaffen, ohne aber Bestandteil einzelner Transaktionen zu sein (z.B. Kunden-, Konto- und Depotführung, Produktentwicklung, Risikomanagement, Kundenreporting). Andererseits bestehen übergreifende fachliche Aufgaben zur Vertriebsunterstützung, etwa Marktforschung, Finanzplanung, Unternehmensbewertungen oder das Portfoliomanagement. Weitere übergreifende Aufgaben zur Banksteuerung der Bank sind das Risiko- oder das Liquiditätsmanagement sowohl für natürliche als auch für juristische Personen.
d) Unterstützungs- und Supportprozesse, wie etwa Marketing, Rechnungswesen, Personalwesen oder die Informationstechnologie (IT) sind klassische Querschnittsprozesse in jedem Unternehmen, zur Erbringung der primären Leistungsprozesse. Digitalisierung und FinTech-Lösungen lassen insbesondere der IT und deren Zusammenspiel mit den übrigen Bankbereichen eine hohe Bedeutung zukommen. Bei Banken enthalten Unterstützungsprozesse zudem Aktivitäten wie den Eigenhandel, da diese nicht oder nur indirekt der Erfüllung von Kundenbedürfnissen dienen.
3. Beispiel: Die Anwendung eines Bankmodells unterstützt primär die Strategie- und Prozessentwicklung einer Bank. Erwägt beispielsweise eine bislang hochintegrierte Bank das Outsourcing ihrer Wertpapier-Leistungen, so verändert dies die Ausgestaltung der intern erstellten Leistungen. Betroffen sind beispielsweise der Handel, der Unterhalt von Brokerbeziehungen oder die Abwicklung von Wertpapieraufträgen ebenso wie davon abhängige Bereiche wie die Stammdatenführung oder der Kundenoutput. Ein Bankmodell unterstützt dabei sowohl „Outsourcer“ als auch „Insourcer“ (Insourcing) bei der Bestimmung des auszulagernden Leistungsumfangs und dient als Kommunikations- und Dokumentationsinstrument. So kann das Bankmodell auch Orientierung bei der Einbindung von Banking Innovationen bzw. FinTech-Leistungen liefern.
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