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Staatsverschuldung
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1. Begriff: Aufnahme von Fremdmitteln durch den Staat (innerhalb eines bestimmten Zeitraums). I.d.R. werden hierfür synonym die Begriffe öffentliche Verschuldung oder öffentliche Kreditaufnahme verwendet; diese umfassen jedoch nicht nur die Verschuldung von Bund und Ländern, sondern auch der sonstigen Gebietskörperschaften, z.B. der Gemeinden, und der Sondervermögen (öffentliche Kreditaufnahme). Als Bruttoverschuldung wird die gesamte Kreditaufnahme innerhalb einer Periode bezeichnet, die sich als Differenz zwischen den Gesamtausgaben des Staates und seinen nicht-kreditären Einnahmen (v.a. aus Steuern) errechnet. Durch Abzug der Schuldentilgung im gleichen Zeitraum ergibt sich die Netto(neu)verschuldung. Der Haushaltsposten Finanzierungssaldo unterscheidet sich hiervon durch Rücklagen- und Kassenmittelveränderungen sowie die Münzeinnahmen des Bundes (Münzhoheit, Münzregal). Die Staatsverschuldung ist die einzige Form öffentlicher Einnahmen, die an den privaten Sektor zurückzuzahlen sind. Erfolgt sie jedoch in Form einer Zwangsanleihe, hat sie steuerähnlichen Charakter.
2. Entwicklung: Historisch gesehen hat Staatsverschuldung als prinzipiell nachrangige Einnahmequelle des Staates v.a. in Kriegs- und Krisenzeiten eine wichtige Rolle gespielt, aber hat auch als Instrument der (Voll-)Beschäftigungspolitik in Situationen gesamtwirtschaftlicher Abschwächung Bedeutung erlangt (Deficit-Spending). Im internationalen Vergleich zeigen sich große Unterschiede. Diese sind v.a. darauf zurückzuführen, in welchem Ausmaß ein Staat gerade diese Einnahmequelle nutzt, ob es zu Entwertungen oder Streichungen der öffentlichen Schulden im Zuge eines Staatsbankrotts (Staatsinsolvenz) oder einer Währungsreform kam bzw. ob größere Defizite der Zahlungsbilanz eine Erhöhung der Auslandsverschuldung bewirkten. In der Bundesrepublik ist nach einer Phase der Haushaltskonsolidierung während der 1980er-Jahre nach der deutschen Einigung die Staatsverschuldung rapide angestiegen.
3. Wirkungen: Im Zusammenhang mit der Rechtfertigung der Staatsverschuldung steht die These der „zeitlichen Lastenverschiebung”, wonach mithilfe der Staatsverschuldung späteren Generationen gewisse Lasten der Staatstätigkeit aufgebürdet werden (können und sollen), da diese auch den Nutzen aus kreditfinanzierten öffentlichen Investitionen ziehen (Pay-as-you-use-Prinzip). Ob tatsächlich realwirtschaftlich eine solche Verschiebung stattfindet, hängt v.a. davon ab, wie Last und Generation definiert werden. Ob und inwieweit die Staatsverschuldung als Instrument antizyklischer Finanzpolitik einsetzbar ist, wovon insbesondere das Stabilitätsgesetz ausgeht, ist ebenfalls umstritten und allenfalls grundsätzlich anerkannt. Fraglich ist schließlich auch, ob die Staatsverschuldung unsoziale Verteilungswirkungen zu Lasten der Bezieher niedrigerer Einkommen zeitigt.
4. Rechtlich-institutionelle Grenzen der Staatsverschuldung ergeben sich außer aus Art. 115 GG aus dem Stabilitätsgesetz sowie dem Bundesbankgesetz (BBankkG), welches seit 1994 auch Kassenkredite an „öffentliche Verwaltungen” verbietet. Mikroökonomisch bedingte Grenzen heben auf die Finanzierbarkeit, d.h. insbes. auf die Schuldendienstfähigkeit ab; Schwierigkeiten können auch bei der Kreditbeschaffung auftreten. Gesamtwirtschaftlich betrachtet stellt sich die Frage nach einer maximalen oder auch minimalen ökonomisch vertretbaren Staatsverschuldung im Hinblick auf mögliche allokative, stabilisierungspolitische und distributive Wirkungen, wie sie andererseits generell zu deren Rechtfertigung herangezogen werden.
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