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Revision von Macht der Banken vom 24.10.2018 - 14:07

Macht der Banken

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    1. Erscheinungsformen: Eine im Vergleich zu anderen Wirtschaftsunternehmen hervorgehobene Machtposition insbesondere der Universalbanken (verstanden als Möglichkeit, Entscheidungsprozesse in Gesellschaft und Politik zum eigenen Vorteil zu beeinflussen) kann aus verschiedenen Umständen herrühren. Als Sanktionsmacht kann sie v.a. die „Hausbank”-Beziehungen zu einzelnen Kunden prägen (Hausbank), insbesondere im Hinblick auf deren Eigenschaft als Kreditnehmer (Entscheidung über Vergabe/Kündigung) oder bezüglich (der Vermittlung) ihres Zugangs zu Finanzmärkten. Aus der Rechtsstellung der Banken als Eigentümer/Anteilseigner anderer Unternehmen wie im Hinblick auf ihr Tätigwerden als Vertreter dieser Kundengruppen (über das Depotstimmrecht) ergibt sich eine Legitimationsmacht. Schließlich beruht die Macht der Banken auf einer Informationsmacht in Form von spezifischem Wissenserwerb im Rahmen einer Vielzahl von Geschäftsbeziehungen sowie von sonstigen Informationsvorsprüngen gegenüber den Kunden: Banken erlangen aufgrund ihrer Tätigkeit bei der Finanzierung von Nichtbanken-Unternehmen umfassende Informationen über deren Betätigungen, strategische Planungen und Ertragskraft. Seit langem befassen sich daher politische Gremien, nicht zuletzt der Deutsche Bundestag, mit diesem Thema. Nach Auffassung des Bundesverbandes deutscher Banken e.V. (BdB) stehen jedoch einem Missbrauch wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten neben dem intensiven sowohl national als auch international noch weiter zunehmenden Wettbewerb im Bankensektor und einer kritisch beobachtenden Öffentlichkeit insbesondere die umfassende Reglementierung bankgeschäftlicher Tätigkeiten, v.a. durch das Kreditwesengesetz, aber auch durch allgemeine gesetzliche Normen (Bankenaufsicht) sowie die im Verhältnis zu anderen Wirtschaftszweigen starke Einbindung des Kreditgewerbes in die staatliche Wirtschafts- und Währungspolitik entgegen.

    2. Schwerpunkte: Die Diskussion um die Macht der Banken konzentriert sich meist auf den Anteilsbesitz an Industrieunternehmen (einschließlich der dazugehörigen Mandate im Aufsichtsrat) und die wechselseitigen Kapitalverflechtungen/Abhängigkeiten zwischen Finanzdienstleistungsinstituten i.S. des KWG sowie Finanzunternehmen i.S. des KWG sowie auf das Depotstimmrecht. Hingegen spielt die eher unterschwellig wirkende Sanktionsmacht in den Debatten eine geringe Rolle; die Fragen eines besseren Verbraucherschutzes im Kredit- und Versicherungswesen werden meist nur jeweils im Hinblick auf einzelne brisante Vorgänge (insbesondere bei der „Gebühren-” bzw. Preis-Politik der Banken [„Kartell der Kassierer”] oder in Bezug auf einen Kontrahierungszwang für Girokonten) erörtert. Ähnlich verhält es sich mit Aspekten der Informationsmacht, die oft lediglich punktuell, etwa bei unzureichender Anlageberatung oder in Bezug auf eine „Regenschirmpolitik”, d.h. die Kündigung von Krediten schon beim Verdacht finanzieller Probleme des Kreditnehmers, thematisiert wird. Auch Vorgänge in diesen beiden Bereichen bewirken jedoch, dass der Vorwurf der Arroganz gegenüber Banken nicht verstummt und ihr Image leidet.

    3. Wettbewerbsrechtliche Sonderstellung: Die Entwicklung vieler moderner Bankdienstleistungen ist ohne eine Zusammenarbeit der beteiligten Kreditinstitute nicht denkbar, insbesondere auf den Gebieten des Zahlungsverkehrs (etwa ec-System, Lastschriftverkehr) und des Wertpapiergeschäfts. Weitere Anwendungsbereiche sind Empfehlungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Einlagensicherung und Konsortialgeschäfte. In Einzelfällen können hierdurch freilich Marktzugang und Wettbewerb behindert werden.

    4. Anteilsbesitz an Industrieunternehmen: Im Gegensatz zu anderen Staaten (z.B. Belgien, Schweden, Japan, USA) verbietet das deutsche Recht Kreditinstituten nicht, Anteilsbesitz an „sonstigen Unternehmen” (Nichtbanken) zu erwerben. Für CRR-Kreditinstitute i.S. des § 1 IIId KWG schreibt Art. 89 CRR  allerdings vor, den Nennbetrag von qualifizierten Beteiligungen i.S. des KWG im Einzelfall auf 15 Prozent und insgesamt auf 60 Prozent des haftenden Eigenkapitals der Kreditinstitute zu begrenzen. Seit den 1970er Jahren haben die Banken ihren Anteilsbesitz abgebaut, und diese Tendenz ist durch die im Ergebnis 95-prozentige Freistellung von Veräußerungsgewinnen i.R.d. Steuerreform 2001 - mit Modifizierungen durch die Unternehmenssteuerreform 2008 - gefördert worden. Allerdings müssen im Anhang zum Jahresabschluss der Kreditinstitute nur Name und Sitz anderer Unternehmen angegeben werden, an denen ein Kreditinstitut oder eine für dessen Rechnung handelnde Person mindestens 20 Prozent der Anteile besitzt (§ 340a II i.V. mit §§ 271 I Satz 3, 285 Nr. 11 HGB). Eine weitergehende Transparenz kann jedoch über eine Aktionärsauskunft gemäß § 131 AktG erreicht werden. § 21 des Wertpapierhandelsgesetzes sieht vor, dass Mitteilungspflichten des Erwerbers von Stimmrechten an einer börsennotierten Gesellschaft (dieser und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gegenüber) bereits bei drei Prozent entstehen. Hinsichtlich der geschäftspolitischen Motivation muss ohnehin unterschieden werden, ob der Beteiligungserwerb mit dem sonstigen Bankgeschäft in einem Zusammenhang steht bzw. eine spezielle Bankdienstleistung darstellt oder nicht, also etwa Anteile auch über eine erfolgreiche Sanierung hinaus gehalten werden. Wie die Verknüpfung von Kreditvergabe und Beteiligung die Macht der Banken verstärken kann (Einflusskumulation), ist im Einzelnen unklar. Im Verhältnis von Kreditinstitut und Beteiligungsunternehmen können sich positive wie nachteilige Auswirkungen einstellen; im Verhältnis zu den jeweiligen Wettbewerbern können negative Effekte teilweise durch gesetzliche Regelungen ausgeschaltet werden (Kartellrecht; Insidergesetzgebung).

    5. Depotstimmrecht: Aufgrund ihres umfangreichen Depotgeschäfts sind Kreditinstitute in erheblichem Ausmaß in der Lage, gemäß § 135 AktG das Stimmrecht in der Hauptversammlung in Bezug auf Aktien anderer Personen auszuüben, wobei allerdings die Vollmacht des Aktionärs befristet ist und dieser berechtigt bleibt, Weisungen zu erteilen. Die Regelung soll der Aktionärsdemokratie dienen, indem Verzerrungen bei der Willensbildung, wie v.a. Zufallsmehrheiten, entgegengesteuert wird. Andererseits entstehen hierbei Interessenkonflikte, die letztlich nur durch eine Offenlegung der Beteiligungs- und Einflussverhältnisse eingedämmt werden können.

    6. Aufsichtsratsmandate: Insgesamt ist die Zahl der von Bankangehörigen gehaltenen Sitze in Aufsichtsräten anderer Unternehmen relativ niedrig und in den letzten Jahren eher rückläufig. Auch geht die Initiative zur Übernahme derartiger Mandate häufig von den Unternehmen selbst aus, weil sie Beratung und Überwachung insbesondere im Finanzierungsbereich wünschen. Die gesetzlich dem Aufsichtsrat übertragene Aufgabe, den Vorstand in seinem Verhalten zu kontrollieren, wird aber oft nicht effektiv genug erfüllt. Interessenkollisionen können nur durch gezielte Maßnahmen verhindert werden, etwa Offenlegung und evtl. Stimmverbote, Begrenzung von Aufsichtsratsmandaten (pro Person oder auch pro Kreditinstitut) oder Verbote für Mandate in konkurrierenden Unternehmen. Im Hinblick auf Insiderinformationen unterliegen Aufsichtsratsmitglieder einer Geheimhaltungspflicht nach § 404 AktG. Ferner greifen die Insiderüberwachungsvorschriften der Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD) 2014/57/EU i.V.m. der unmittelbar geltenden Missbrauchsverordnung (MAR) 569/2014 (insb. Art. 14 und 15 MAR), womit die bisherigen Regelungen in den §§ 12 ff. WpHG überflüssig wurden, ein (Insider, Insiderpapiere).

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